Augenblick mal

Graffiti liebt oder hasst man. Ich liebe sie sehr. Sie sind zu einer wesentliche Kunstform in Berlin geworden, zu einer kostenlosen öffentlichen Galerie. Eintritt überall und jederzeit möglich.

Eines Tages im April 2004 saß ich mit der großartigen Kunstbeförderin und Freundin Jutta Weitz im Hof des Café „“Cinema“, Haus Schwarzenberg, wo sonst, und jammerte, was ich wohl mit dem Lebensabend anfangen wolle. Und statt ihr dabei in die schönen Augen zu gucken, schielte ich über ihre Schulter, denn da faszinierten mich unablässig zwei Augen.
Ein einfacher Graffito, eigentlich ein Wurm nur mit zwei Augen.“Jutta, ich hab´s, ich suche in der Mitte nach Augen. Und die weise Dame lächelte mich wie immer sehr weise an: „Genau das mach´ste.“ Recht behielt sie.
Aus der Suche nach zunächst nur Augen wurden dann bald die Sucht nach Graffiti im Besonderen. Zunächst ausschließlich in der alten Mitte.

Und um dem Streit um Gut oder Böse gleich die Spitze zu nehmen, „Schmaddereien“ und Trittbrettfahrerei werden nicht durch das Verbot dieser öffentlichen Kunst verhindert, eher wohl noch mehr befördert.
Diese schlechten Krikelkrakeleien (siehe Linienstraße 62, Berlin- Mitte, unten) mag ich überhaupt nicht, schon gar nicht an einem Denkmal, gute Graffit sehr wohl (siehe Kindergarten "Traumzauberbaum" Mollstraße 7A in Berlin-Mitte, oben).

Die hier von mir gezeigten Graffiti stammen größtenteils aus einer Ausstellung im Foyer des ehemaligen „Haus Ungarn“ von 2008. Sie war sehr gut besucht. Dank der guten Künstler, denen ich herzlichst dafür danke.
Die Arbeiten stammten alle von Plätzen, die legal oder toleriert waren wie leere Brandgiebel und Wandreste im Umfeld des „Tacheles“. Also, was gibt es da zu nörgeln.

Was macht eigentlich ein Ant-Graffiti-Verein und Firmen dieser Branche, wenn alle weg sind? Pleite? Website abschalten?

Mir würde bange bei dem Gedanken, es wie in Oslo zu erleben, wo es eine 24-Stunden-Garantie gibt, in der die frischen Arbeiten garantiert beseitigt sind. Moderne Handys führen dich seit kurzem von Graffiti zu Graffiti, wenn du es willst. Diese Industrie lebt davon, endlose geführte Wanderungen ebenfalls. Deshalb werden Hotelbetten gemietet, Döner verschlungen, Coffee to go geschlürft. Berlin, die die heimliche Hauptstadt der Graffiti in Europa ist, soll sich einen einträglichen Steuerast absägen?

Ich bin inzwischen über meinen „Tellerrand“ (die alte Mitte) gefahren und suche dort nach guten Arbeiten. Erfolgreich übrigens.

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